Lesetagebuch Kate Zambreno – Mutter (Ein Gemurmel)
Gestern lag Kate Zambrenos „Mutter (Ein Gemurmel) bereits im Briefkasten. Eigentlich war es mir ja schon beim Coverbild, Femme maison von Bourgeois klar, und die ersten Sätze bestätigen die Vermutung: das ist eines der Bücher, die mir wirklich etwas bedeuten, die in eine Reihe aufgenommen werden mit Anne Carson und Ilse Aichinger, Marguerite Duras und eben Louise Bourgeois. Ein Buch, das mich begleitet wie eine gute Freundin, das mich nährt wie eine Mutter.
Immer wenn ich diese Art Bücher lese, denke ich, dass ich es genauso machen will, dass das jetzt der ultimative Weg ist, um zu schreiben, um schreibend etwas herauszufinden und zu bewältigen. Und immer wieder stelle ich fest: Das ist genau der Weg für diese Autorin, aber ich bin nicht sie.
Zambreno schreibt also von der wunderbaren Louise Bourgeois, von einer der Zellen, die ich vor Jahren hier in der Kunsthalle erleben durfte, damals lebte Louise Bourgeois noch. Diese Nachbildung ihres Elternhauses also, über dem eine Guillotine schwebt, die, wie Bourgeois sagte, „auch für das Bedürfnis nach einer Zerstörung der Vergangenheit durch die Gegenwart“ steht. Sie (also Bourgeois) sagte: „Um wirklich einen Exorzismus zu vollziehen, der mich von der Vergangenheit befreit, muss ich sie rekonstruieren, mich mit ihr auseinandersetzen, sie in eine Statue verwandeln und sie loswerden, indem ich Skulpturen schaffe. Dann kann ich sie vergessen. Ich habe meine Schuld mit der Vergangenheit beglichen und bin befreit.“
Zambreno weiter: „Auf die Frage, weshalb die Umzäunung wie ein Gefängnis aussehe, antwortete sie: „Weil ich eine Gefangene meiner Erinnerungen bin. Ich bin eine Gefangene meiner Erinnerungen, und mein Ziel ist es, sie loszuwerden.“
Und dann nimmt Zambreno das Bild des Hauses, um damit weiter zu machen, um ihre eigene Gefangenschaft zu untersuchen, sie ahmt die Skulptur Bourgeoise schriftlich nach.
Vielleicht ist diese Auseinandersetzung mit der Mutter, mit der eigenen Kindheit, der Vergangenheit eine Art Suche nach dem Urtext, dem eigentlich zu uns gehörenden Text, der überschrieben wurde durch Erziehung und Sozialisation usw.